Die 16. Ausgabe "Be Well in Hamburg St. Georg" ist erschienen  

St. Georgs Stadtteilführer für 2025

 

Jetzt verfügbar
    - unverwechselbar und individuell -

 Leserbrief
Mit Freude und grossem Interesse halte ich die neue Ausgabe von "Be Well in Hamburg St.Georg" in Händen. Gratulation zu diesem informativen Stadtteilführer. Wieder ist es der Redaktion gelungen, einen kunstsinnigen Titel zu fabrizieren. Dass die liebe Kunst ein Zuhause in St. Georg hat,  spiegelt sich im Heft beispielhaft wider. 
Der Stadtteil ändert sich durchaus: neue Gastronomie, neue Einkaufsmöglichkeiten, aber auch Schliessungen und jüngste  negative Schlagzeilen in den Medien bestimmen den Alltag. Und trotzdem: das freundliche und aufmerksame Miteinander,  der fast dörfliche Charakter, die Nachbarschaftshilfen sind beispielhaft; der konzentrierte Blick auch auf die Problemlagen im Stadtteil sind  und bleiben wichtige Themen.  Es geht bei allem immer um Menschen. Ich wünsche mir von der Politik eine verstärkte Anstrengung, sich besonders den sozialen Problemen im Stadtteil zu widmen und ein Augenmerk auf Lösungsansätze. Der verkehrsnahe Hauptbahnhof und die dortige Verdrängung  der Problemlagen führen offensichtlich zu einer Verlagerung in den Stadtteil. Sicherheit ist ein hohes Gut. Das gilt für Bewohner:Innen wie auch für Touristen, die St.Georg als bunten, toleranten und aufgeschlossenen Stadtteil entdecken und letztendlich auch behalten möchten.. 
Herzliche Grüße von Rainer Neumann; Autor.

   

Dragomirs Spruch der Woche
frei nach Winston Churchill: "Etwas aufzubauen mag langsame und mühsame Arbeit von Jahren sein. Es zu zerstören kann der gedankenlose Akt eines einzigen Tages sein."

   

Ein Gespräch mit Pastor Gunnar Marwege und Kantor Ingo Müller zum Abschied vom Stadtteil. Mehr als drei Jahrzehnte waren sie auf St. Georg aktiv: Pastor Gunnar Marwege und Kantor Ingo Müller. Stadtteil-Reporterin Marina Friedt, kennt die beiden persönlich seit über 20 Jahren und führte mit ihnen zum Abschied ein Gespräch. Teil eins des Gesprächs mit Gunnar erschien bereits, hier folgt Teil 2 mit Ingo Müller, desssen Abschied Ende Juni 2018 erfolgt.
Ingo muss man in deiner Position als Kantor gläubig und in der Kirche sein? 
Ingo(schmunzelt): "Das ist 'ne Frage. Ja, ich denke, Glaube entsteht im Leben. Bei mir war es so, dass ich in der Jugend ein Außenseiter war, von der Klasse und meinem Umfeld her gesehen, und da fing das irgendwann an, dass ich an Gott, den Vater geglaubt habe und so kam ich einigermaßen heil durch diese etwas wirre Zeit. Und in meinem Alltag im Beruf ist es ja nun so, dass ich mit allen möglichen Leuten zu tun habe, es gibt auch Atheisten im Chor. Warum sollen die nicht mit uns singen dürfen? Wir unterhalten uns bei jedem Stück, das wir singen, natürlich über

die Inhalte und versuchen, die mit der Musik zusammenzubringen. Insofern ist es immer auch eine Auseinandersetzung mit dem Glauben und mit der eigenen Person. Beispielsweise wenn es jetzt um ein Requiem geht. Ich denke, die Angst vor dem eigenen Tod oder vor dem Tod eines nahestehenden Verwandten ist das eigentliche Motiv, in den Glauben tiefer einzusteigen".
"Deswegen mag ich den internationalen Gottesdienst in der Erlöserkirche so gerne… Bei der Gospelmusik bin ich dabei.
Ingo (lacht): "Das merkst du auch bei den Taufen, wenn die kleinen Kinder im Arm gehalten werden. Da gibt es die, die still werden, wenn der Pastor oder die Pastorin etwas erzählt und anfangen zu schreien, wenn die Orgel zu spielen beginnt. Und genau umgekehrt: Andere werden ruhig, wenn die Orgel spielt. Dann sieht man meines Erachtens schon die Präferenz; der eine hört mehr auf das Wort und die Stimme, kann damit etwas anfangen und die anderen eher mit der Musik".
Kannst Du Dich an Deinen Konfirmationsspruch erinnern? 
"Ja! (lacht). Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach (lachen)".
Okay, meiner lautet: Sei Täter des Wortes und nicht Hörer allein. Wann und wie bist Du nach St. Georg gekommen?
"Beim mir war es ja so eine komische Geschichte, dass ich in der Schule die Kirchenmusikerin Rose Kirn (https://de.wikipedia.org/wiki/Rose_Kirn) als Lehrerin hatte. Die war ja keine ausgebildete Pädagogin. Als die Musiklehrer knapp waren, ist sie bei uns eingesprungen und hat unterrichtet. Und nach einem Dreivierteljahr hat sie dann das Weite gesucht, aber hat mich noch gefragt, ob ich nicht im Chor mitsingen wolle und da hab ich ab 1971 im Chor mitgesungen. Da war ich 16, 17 und bin ganz lange dabeigeblieben und es war das erste Mal, dass ich mich selber auch gefunden habe im Chor. Im Gegensatz zu meinem Klassenverband; eine Klasse kann einen ja befördern, sodass man weiter kommt im Leben. Es kann aber auch genau das Gegenteil sein und das war in meinem Fall so: Der Chor war meine Öffnung nach außen. Ich besuchte damals das Gymnasium in Uhlenhorst-Barmbek, wie mein berühmter Kollege Sengelmann. Und als ich nach einer weiteren Station aus Moorfleet weg ging, hatte mir Rose Kirn angeboten, mit meinem Chor hier herzukommen, und so sind wir 1985 in St. Georg gelandet. Es gab schon den Chor "Kantorei" und wir nannten uns dann "Junge Kantorei". Das waren die Anfänge. Und als die Stelle von Rose Kirn im April 1988 vakant wurde, habe ich hier angefangen".
Was war das herausragendste, prägendste Erlebnis, das Dir sofort in den Sinn kommt?
"Also, was mir als Erstes einfällt, war mein erster Heiligabend hier - ich war maßlos enttäuscht, weil die Kirche nachmittags so leer war. Ich dachte: Oh Gott, hier kommt ja keiner".
Reporterin: Damals (lacht).  Denn inzwischen platzt die Kirche zum Kindergottesdienst am Heiligabend alle Jahre wieder "aus den Nähten". St. Georger Kinder, wie mein Sohn, haben beim gespielten Krippenspiel eine Karriere angefangen vom Schaf, Hirte, Könige bis hin zu den Engeln, Maria und Josef nachzuweisen - und kommen auch als Jugendliche gern wieder in die Kirche mit.
Ingo: "Sogar mein Patenkind Jakob, der ist inzwischen 25, kommt jedes Jahr. Der hat als Kind mitgespielt und kommt jetzt jedes Jahr gern in die Kirche. Und das zweite für mich: Das Wunder der Suppengruppe. Ich hatte 1993, weil ich mich geärgert hatte, einen kurzen Artikel im Gemeindebrief verfasst und dazu aufgerufen, für Obdachlose Suppe zu kochen. Dann war so eine Resonanz auf unseren Gemeindebrief spürbar, ich glaube, ich hatte bald zwanzig Anrufe, denn es stand auch in der Zeitung. So kamen dann auf wundersame Weise 40 Leute zusammen, darunter Annemarie Dose, die später die Hamburger Tafel gründete. Wir fanden den Ort unter der Orgelempore richtig und beschlossen: wir kochen nicht selber, sondern lassen uns die Suppen sponsern. Und dann ging los. Das werde ich nie vergessen: Wir haben dann überlegt, wenn die Bedürftigen alle auf einmal kommen, wie sollen wir das händeln? Dann haben wir Gutscheine für verschiedene Uhrzeiten gemacht, sind damit durch die Innenstadt gegangen und haben sie verteilt. Und ich werd' nie vergessen: Da saß dann so ein Obdachloser vor Karstadt, ich bin hingegangen und der sagt zu mir: "Dett musste den armen Schluckern geben, ich brauch dett nicht". Und zeigte mir zum Beweis sein Bündel 50-Mark-Scheine im Jacket. Also, es war stellenweise manchmal echt ernüchternd mit der Hilfe". (lacht)
Wie voll war es heute Mittag bei der Suppenküche?
"Es war voll. Etwa 150 Leute, manchmal sind es 180, in der Regel Männer, aber auch nicht wenige Frauen. Und für mich war es ein Wunder in dem Sinne, dass aus so einem kleinen Artikel so eine Aktion wird".
Was war für Dich die größte Enttäuschung in dem Sinne: Schade, dass ich jetzt abtrete und dass ich nicht mehr zu Ende bringen kann?
"Im Grunde ist uns ja alles gelungen, was wir uns vorgenommen haben, es funktioniert".
Wie hat sich Deiner Meinung nach der Stadtteil gewandelt? Gunnar prägte mal den Spruch: "St. Georg hat die Nähe, aber nicht die Enge des Dorfes…"
"Ja, im Grunde erlebe ich das auch so. Als ich hier anfing, da gab es Tante-Emma-Läden. Und ich seh' jetzt gerade Marianne Römmer vor mir, wie sie einem Obdachlosen, der an der Tür klingelte, einen Gutschein gab, damit er sich in einem der Tante-Emma-Läden ein belegtes Brötchen holen konnte. Das ging so lange, bis die kleinen Läden geschlossen waren und wir die Suppenküche gründeten. Das ist natürlich schade, dass diese kleinen Einkaufsmöglichkeiten verschwunden sind, ob das nun der Gemüsemann ist oder der Käse- oder Geflügelladen. Wir hatten viele dieser Läden, die einfach gut waren. Das vermisse ich so ein bisschen. Von meinem Gefühl her war St. Georg früher etwas behaglicher, urstämmiger, weil man in Generationen hier gelebt hat. Das findest du heute gar nicht mehr. Du findest keine alten St. Georger mehr, sondern meist Zugezogene. Wenn ich da jetzt an Hans Ross denke - der war Ofenbaumeister und im Kirchenvorstand, das war ein imponierender Mann für mich, als ich in den Chor eintrat. Der hat alles an Fotos über St. Georg gesammelt".
"Oder ich denke da an den Stadtteilfilmer Wendelin"
"Aber wenn Mietraum immer treuer wird, wird der Markt es nicht regeln können. Da muss eine Regelung her, dass das nicht endlos so weiter geht. Und eine andere Sache: Als ich 1971 nach St. Georg kam, da war das ein ganz anderer Stadtteil. Die Wohnungen waren damals runtergewirtschaftet, die wurden absichtlich nicht renoviert und so sah es überall auch ziemlich heruntergekommen aus. Dazu die Drogenproblematik. Was aber früher nicht möglich gewesen wäre, und da hängt auch mein Herz dran, dass wir einen Kinderchor aufgebaut haben. Das haben wir früher immer mal versucht. Dass es jetzt mit 45 Kindern funktioniert, das zeigt, der Stadtteil hat sich gewandelt, aber nicht nur ins Negative, sondern auch ins Positive".
Und was bleibt nachhaltig - auch von Deiner Arbeit?
"Das, was ich hier ausprobiert und mit den Pastoren zusammen angefangen habe, dass man Kirchenmusik nicht festlegen darf auf Bach und Orgel und Weihnachtsoratorium und Chor, sondern dass die Basis für Musik eine viel breitere ist. Und sie muss die Spannung aushalten zwischen weltlich und geistlich und kann das nicht einfach aus der Kirche verbannen".
Wie eure bekannten Salatkonzerte…
…"oder "Georg, lass mal hören". Dass man mal etwas Heiliges hört und dann wieder ein profaner Text dazwischen steht. Die Mischung macht's. Das ist natürlich noch aus der Zeit, als die Junkies in den Hauseingängen standen, das waren diese Gegensätze, wo wir versucht haben so eine Heiligkeit aufzubauen und kaum geht man vor die Tür, wird man mit der Wirklichkeit konfrontiert - das kann es eigentlich nicht sein. Eigentlich muss man das Draußen in die Kirche integrieren - und das haben wir versucht mit der Musik. Ich glaube, die ist mit meinem Nachfolger Martin Schneekloth gut aufgestellt. Er macht U-Musik, Kirchen- und Chormusik und hat auch schon die Musicalschiene bedient. Also es geht weiter, das ist mit ihm gesichert. Ich hoffe, dass diese Vielfalt dem Stadtteil erhalten bleibt, es wäre schade, wenn wir das verlieren würden".
Du hast Deinen Nachfolger Martin Schneekloth, der am 1. Juli Deine Position übernimmt, schon angesprochen. Was wünschst Du ihm?
"Ich wünsche meinem Nachfolger, dass er die Freiräume findet und auch die Freiräume sich erkämpft, um etwas Neues einzubringen und durchzuführen. Als ich angefangen hab, war hier Tabula rasa und insofern habe ich viel aufbauen können. Aber irgendwann kommt man auch in so einen Trott und es fühlt sich anders an, als wenn man was Neues entwerfen kann. Die Salatkonzerte sind jetzt ein alter Hut und "Georg, lass mal hören" ist eingeschlafen. Aber man muss auch mal etwas wegfallen lassen, um etwas Neues zu kreieren".
Ich Danke Dir für das Gespräch. Marina Friedt

Bildunterschriften:
1. Pastor Gunnar Marwege und Kantor Ingo Müller im Kirchhof am 18.Februar 2018, Foto: Marina Friedt
2. Kantor Ingo Müller bei der 
Arbeit zu Messiah 2007, Foto: Jörg Starkulla
3. Chorprobe 2006, Foto: Jörg Starkulla
4. Batenoba 2010, Foto: Jörg Starkulla
5. Stadtteilfest mit Kaffee für Ingo Müller 20016, Foto: Jörg Starkulla, bearbeitet Barbara Gitschel-Bellwinkel

 

 

   

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